Natürlich ist es Zufall, dass sich Hull auf dull reimt aber wohl nur Einheimische und besonders Eingeweihte wissen, dass Kingston upon Hull in diesem Jahr die UK Stadt der Kultur ist, bereits 1902 ein eigenes Fernsprechsystem sowie Telefonzellen besaß, die Heimat des Dichters Philip Larkin ist, nahe der Humber Bridge liegt, die nach ihrer Erbauung 1981 bis zum Jahre 1998 als längste Hängebrücke der Welt galt, und mit dem Fußballclub Hull City so etwas wie das englische Pendant zum FC St. Pauli - immer wieder gern gesehene Gäste in Liga 1 bis 4 - besitzt. Für den Rest der Welt gilt: WTF...
Das wird sich allen Prognosen folgend auch in naher Zukunft kaum merklich ändern. Zwar arbeiten die Stadtväter emsig an ihrem zum geflügelten Wort gewordenen Ruf „Hull is dull“ aber die Ergebnisse ihrer Arbeit sind bislang im knapp 100 Kilometer entfernten Manchester kaum mehr wahrnehmbar. Das Echo auf Hull bleibt überschaubar.
Was vielleicht – und hier beginnt der spekulative Teil – mit ein Grund dafür sein könnte, warum LIFE so wütend sind. Oder es zumindest gekonnt vorgeben. Aber ist nicht jeder heutzutage irgendwie verärgert? Das Internet ist mit Ärger überflutet und auch die Leute auf der Straße sind wütend. Wieso sollten LIFE da eine Ausnahme sein? Vielmehr gerieren sie sich als der unberührte Ärger der britischen Arbeiterklasse des Jahres 2017. So war bereits das erste Video - „Euromillions“ - ein Stück des Widerstands, welches provozierend am Tag der Amtseinführung von Donald Trump veröffentlicht wurde. In dem Song wird dabei gegen die „Alt-Right-Bewegung“ besonders scharf geschossen. „You have the right to bear arms if you’ve got the right coloured arms”, brüllt Leadsänger Mez Sanders-Green über eine Noise-Kakophonie.
LIFE kommen aus der oben erwähnten Stadt Hull (seit 1897, zuvor war Hull „Minderstadt“), einer klassischen Underdog-Stadt, die 2017 den Status „UK-Stadt der Kultur“ inne hält. Aber unter der kulturellen Progression und Medien-Aufmerksamkeit ist dort nach wie vor Angst in der Luft. Es ist genau diese Angst, die zum Herz des Debüt-Albums der Band führt, wie es von Mez erklärt wird: „”Popular Music” sounds like panic and anxiety, it's the sound of shitting it about whatever happens next week, about what you can weigh through on the self-checkout to get your beans cheaper. It's an LP made up of the psyche of everyone who can see they're getting fucked and there's a lot of people getting fucked right now.“
Das Album wurde produziert und gemixt vom Grammy-Award-Gewinner Ian Dowling bei der Fish Factory in London. Es ist ein glühendes und donnerndes Album, dass kaum Raum zum Atmen lässt. Es ist ein Punk-Album durch und durch und in ihm weht der Geist von SHAM 69, 999, den UK-SUBS und den VIBRATORS. Hört euch hier die neue Single „In Your Hands“ an. Zorn, Unruhe, Spannung.
LIFE sind Mez Sanders-Green, Mick Sanders, Loz Etheridge, Stewart Baxter